Selbach-Oster, Zeltingen

GEWÜRZTRAMINER UND EXPORTSORGEN AN DER MOSEL

 

Gerade mal 18 sei er gewesen, damals, erinnert sich Winzer Johannes Selbach an einen Abend vor mehreren Jahrzehnten. Der Tag endete im Keller. Nicht in dem des elterlichen Weingutes, sondern in jenem, der dem Vater eines Freundes gehörte. Im Halbdunkel schlichen sich die Nachwuchsweinkenner hinein, jeder griff eine Flasche, die gerade greifbar war.

 
Schnell wurde die Beute geöffnet und ihrer Bestimmung zugeführt. Doch Selbach stutzte, spürte schon beim ersten Schluck einen ungewohnten Geschmack auf der Zunge. So ganz anders als er es von den heimischen Rieslingen gewohnt war. Schließlich schaute er auf dem Etikett nach und entdeckte zwei Wörter, von denen er nie zuvor gehört hatte. Zind und Humbrecht. Das Elsass und eines seiner berühmtesten Weingüter. Vor allem aber: Gewürztraminer!

 

Es muss nicht immer Riesling sein

Die Erinnerung ging Johannes Selbach, dem heutigen Chef des Zeltinger Weinguts Selbach-Oster, nicht mehr aus dem Kopf. Gewürztraminer machte Spaß! 2013 endlich pflanzte er 700 Stöcke dieser Sorte an der Mosel, von Anfang an im Bestreben, einen etwas anderen Wein zu erzeugen. Nicht so üppig und alkoholreich, wie dies die Elsässer lange praktizierten und wie es in Südtirol oft nicht anders möglich ist. 14 und mehr Alkoholprozente sind hier ebenso wenig erwünscht wie Restzucker in schmeckbaren Mengen. „Wir ernten früh“, sagt Johannes Selbach. Selbst der 2018er präsentiert sich frisch mit Anklängen an reife Zitrusfrüchte und Kräuter, im Mund würzig und erstaunlich straff; der 2019er, bereits durchgegoren, aber noch nicht von der Hefe genommen, zeigt eine schlanke, aber durchaus sortentypische Art und eine großartige Säure.

Für die beiden US-Amerikaner, die an diesem Tag in der modernen Vinothek des Weinguts mit Blick auf die Mosel und den Ürziger Würzgarten verkosten, ist aber eher Riesling interessant. Deshalb sind sie gekommen. Und am ehesten des reifen Rieslings wegen. Hannah Selbach, Johannes Tochter, holt aus der Schatzkammer, was noch verfügbar ist. Viel ist es nicht mehr, die Nachfrage nach gereiften Rieslingen der guten Erzeuger ist gerade größer als das Angebot. Am Schluss finden die Neugierigen aus der Ferne auch die Raritäten viel zu billig, freuen sich über das perfekte Englisch der Selbachs und stören sich auch nicht an der neuen Moselbrücke. Man hat sie fast immer Blick, aber sie scheint nicht so bedrohlich zu sein, wie es viele befürchtet haben.

                  Sebastian & Johannes Selbach 

                  Sebastian & Johannes Selbach

Die USA und ihr drohender Präsident

Ohnehin sind es keine Bauwerke, die gerade die Stimmung belasten, es ist ein Politiker. Europäische Weingüter, die über Jahre ihr Amerika-Business aufgebaut haben, leiden besonders unter den Drohungen des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit hohen und immer höheren Zöllen auf Wein. Die 25 Prozent, die jetzt schon gelten, lassen sich mit gutem gesammelten Willen der Kunden, Importeure und Winzer noch verkraften, die angedrohten 100 Prozent dürften den Export von europäischem Wein in den US-Markt weitgehend zum Erliegen bringen. Ob der Schaden im letzten Moment abgewendet werden kann? Ob ein Deal irgendwann eine Rückkehr zu Normalbedingungen erlaubt? Johannes Selbach scheint skeptisch und betrübt. Schließlich hat sich wohl keine andere Winzerfamilie der Mosel so interessiert gezeigt an den USA wie diese. „Meine Mutter ist schon 1953 hingefahren“, erzählt Johannes Selbach. In einer Zeit, als es die meisten Moselaner nicht weiter als bis nach Trier schafften. Auch er selbst und seine Kinder verbrachten einige Zeit in Amerika. „Gerade erst war ich bei meiner Gastfamilie in Louisiana“, erzählt Tochter Hannah, die nach ihrem Studium des Internationalen Weinmarketings in Bordeaux bereits ins Weingut eingebunden ist – ebenso wie ihr Bruder Sebastian. Raus in die Welt will die Nachwuchswinzerin aber gern noch mal, bevor sie endgültig in Zeltingen einsteigt. Und eines ist klar: Ihre Leidenschaft für die USA, die Menschen und die Natur jenseits Atlantiks lässt sie sich nicht verderben – erst recht nicht von einem Präsidenten, der an der Kultur des Moselweins kein Interesse hat.                                           

 © 2020 Wolfgang Faßbender/Mondo Heidelberg

 

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